Spastik

Bei Spastik handelt es sich um eine geschwindigkeitsabhängige Zunahme der Muskelspannung bei passiver Muskeldehnung. Bereits auf geringe Dehnung reagiert der betroffene Muskel mit intensiver Verkürzung. Diese überschießende, inadäquate Muskelaktivität entsteht durch eine gesteigerte Reflexaktivität auf Rückenmarkebene bei beeinträchtigter „Bremsung“ durch das Gehirn und/oder Rückenmark.

Jegliche Schädigung der Pyramidenbahn in Gehirn und Rückenmark einschließlich der begleitenden extrapyramidalen Bahnsysteme kann zu einem spastischen Syndrom führen. Zahlreiche neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, Schädel-Hirn-Traumen, Rückenmarksverletzungen oder ein Hirnschaden nach Sauerstoffmangel können dafür verantwortlich sein. Die Schädigung der Pyramidenbahn ist für die eingeschränkte Willküraktivität verantwortlich – in der Akutphase des Geschehens resultiert daher meist eine schlaffe Lähmung. Erst nach Tagen bis Wochen entwickelt sich langsam ein spastisches Syndrom.
 

Gelegentlich kann diese erhöhte Muskelspannung für den betroffenen Patienten auch von Nutzen sein. Sie ermöglicht eine Gelenkstabilisierung und Belastbarkeit der Beine und ist damit eventuell Grundvoraussetzung für die Mobilität und Selbstständigkeit der betroffenen Person. Meist überwiegen allerdings im Laufe der Zeit negative Effekte, welche zu Komplikationen führen können. Dazu zählen aktive und passive Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, Sturzneigung, Gelenkfehlstellungen, Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens und Hygieneprobleme.
Das Ausmaß der vorhandenen Negativsymptome (Lähmung, Ermüdung, Feinmotorikstörungen) und Positivsymptome (gesteigerte Muskeleigenreflexe, einschiessende Muskelzuckungen, Massenbewegungen) entscheidet über die Funktionsfähigkeit der betroffenen Extremitäten. Bei chronischem Verlauf bzw. fehlenden Therapiemaßnahmen können die vorhandenen Behinderungen zur vollständigen Immobilität des Patienten führen.

Die Ursache der Spastik ist meist irreversibel, weshalb meist eine lebenslange Therapie erforderlich ist. Physio-und Ergotherapie gelten dabei als allgemein anerkannte Basistherapie. Diese Therapieformen dienen der Tonusregulierung, dem Üben von physiologischen und ökonomischen Bewegungsabläufen und der Erarbeitung von Heimübungsprogrammen. Regelmäßige Wiederholungen des Erlernten dienen zur Funktionserhaltung der betroffenen Extremitäten und tragen damit zur Selbstständigkeit des Patienten bei. Ergänzend ist eine entsprechende Heilmittelberatung für den Alltag hilfreich.

Zur ausreichenden Tonusregulierung ist meist eine zusätzliche medikamentöse Therapie erforderlich. Oral angewandte Antispastika (Baclofen, Tizanidin) haben unterschiedliche Wirkmechanismen, zeigen aber insgesamt einen dämpfenden Effekt auf die übererregten Motorneurone im Rückenmark. Unerwünschte Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und allgemeine Körperschwäche schränken den Einsatz der oral verabreichten antispastischen Wirkstoffe oft ein. Die intrathekale Verabreichung von Baclofen mittels einer implantierbaren Pumpe ist für nur einen geringen Teil der Patienten indiziert.
Die lokale intramuskuläre Applikation von Botulinum-Toxin ist bei einer umschriebenen, fokalen oder regionalen spastischen Muskeltonuserhöhung (z.B. eine Muskelgruppe des Fusses oder der Hand) eine moderne und aktuelle Therapieoption. Das intramuskulär verabreichte Toxin blockiert die neuromuskuläre Übertragung für durchschnittlich 10 bis 12 Wochen, danach lässt die Wirkung allmählich nach. Das Ziel der Behandlung kann eine Schmerzlinderung, die Erleichterung von Pflegemaßnahmen, die Prophylaxe von Gelenkfehlstellungen oder die Verbesserung der Funktion sein.